Freitag, 5. Mai 2017

Geheimtipp: K Á R Y Y N

Auf ihrer Debüt-EP "Quanta 1" entführt uns Káryyn in eine wahrlich atemberaubende Klangwelt. Der fragmentarische Elektropop von FKA twigs sei als naheliegendste Referenz genannt.



Glockenklarer Gesang trifft auf übereinandergetürmte Soundschichten; aggressive Bässe, widerborstige Synthies und jede Menge zischende, frickelnde Störgeräusche. Die zerrütteten Rhythmen werden von metallischen Hats und stolpernden Kickdrums vorgegeben und  jeder einzelne Sound hallt wie in einer Kathedrale. Herzlich Willkommen auf der Debüt-EP von Káryyn.

Die Arrangements sind minimalistisch und leben von der Spannung, die aus dem Wechselspiel von zappeligen Rhythmen und totaler Entschleunigung entssteht. Immer wieder klaffen Sollbruchstellen auf, die von nichts als einer Menge Hall, einem Drone, oder Káryyns nackter Stimme zusammengehalten werden.
Ihre Inspiration zieht die gebürtige Syrerin nach eigener Aussage primär aus klassischer Chormusik. Deren Dramatik auf unpeinliche Weise ins Hier und Jetzt zu transportieren, gelingt ihr mit einer beeindruckenden Natürlichkeit.
Das Songwriting von "Aleppo", der erste Single, schöpft aus Erinnerungen  an ihre syrische Heimatstadt aus der Zeit bevor diese zu einem Schauplatz des Leids und der Verwüstung wurde.
Das dröhnende, auf Holly Herndon-eske Weise zerstückelt- und gelayerte "Binary" vertont Káryyns Faszination für Cyborg-Romantik-Fantasien.
Ein erstaunlich reifes und selbstbewusstes Debüt, das den Werken anderer Genregrößen in nichts nachsteht.