Mittwoch, 8. März 2017

Arca: Neue Singles & neues Album

Seit Anfang dieser Dekade hat sich Arca vor allem als Produzent hervorgetan und einige der stilprägendsten Alben der letzten Jahre aufgenommen.
Ganz egal, ob man das brachiale Yeezus, seines Zeichens das beste Kanye-Album, EP2 mit Fka twigs oder Vulnicura mit Björk heranzieht: Fest steht, dass diese drei Werke zu den stilistisch meist kopierten der Jetztzeit zählen und so unterschiedlich sie auch sein mögen, von Arcas unverkennbarer Handschrift geprägt sind, einer Synthese aus destruktiver Aggression und fragiler Zärtlichkeit inklusive weirdem Pop-Appeal.


Das ständige Neuerfinden und das Erforschen unbekannten Terrains sind die zentralen Merkmale Arcas Schaffens. Bei seinen Soloveröffentlichungen blitzen die großen Pop-Momente nur vereinzelt auf und verlieren sich immer wieder in den in jeder Hinsicht extremen Soundlandschaften.
Auf den beiden Alben Xen (2014) und Mutant (2015), so wie den in regelmäßigen Abständen zum freien Download zur Verfügung gestellten Mixtapes und EPs, lotete Arca immer wieder die Grenzen von Musik im Allgemeinen aus und bewies die Verzichtbarkeit von konventionellen Songstrukturen, von Melodien oder analogen Elementen jeder Art, für songdienliche Arrangements war da bisher wenig Raum. 
Sein neues selbstbetiteltes Album ist für den 7. April angekündigt und die ersten Singles machen bereits deutlich, dass der Wahl-Londoner ganz sicher nicht vorhat, sich zu wiederholen.

Dass auf Arca erstmals die Singstimme des gebürtigen Venezolaners zu hören ist, verleiht den Songs nochmal eine ganz andere Emotionalität, eine Menschlichkeit, ein Antlitz aus Fleisch und Blut als Gegenpart zu all den maschinellen, vertrackten Frickelsounds.
Mit dem Audio "Piel", dem bereits bekannten "Sin Rumbo" und dem neuen Video "Anoche" gelingt Arca, woran Anohni und das letztjährige Hopelessness gescheitert sind: Ein elektronischer, neuartiger Entwurf intimer Kammermusik.

Ähnlich wie Anohni steht Arca für die Aufhebung veralteter Genderkonstrukte, ist für Tausende, die nicht Teil des sexuellen Mainstreams sind, eine Identifikationsfigur und bemüht sich, durch den experimentierfreudigen Einsatz von Mitteln der elektronischen Klangerzeugung auch musikalisch einen alternativen Realitätsentwurf zu statuieren.
Doch wo Anohni sich von angesagten Producern moderne Beatteppiche flicken lässt, legt Arca selbst Hand an und zersetzt mit seiner dekonstruktivistischen Herangehensweise das, was mal Beat war. Wo Anohni mit Zeigefinger-Attitüde politische Themen reißbrettartig in Feuilleton-gerechten Stücken serviert, transportiert Arca in erster Linie ein Gefühl und trifft den Hörer mit seinem auf spanisch geschmetterten Schwanengesang voll in die Magengrube.

Die Vorboten seines kommenden Albums schüren jedenfalls turmhohe Erwartungen. Man darf gespannt sein, ob die bruchstückhafte Instrumentierung auf Albumlänge beibehalten und dem Gesang das Schlaglicht komplett überlässen wird oder auch Raum für Arca-typische Frickel-Exzesse da ist ("Piel-Alt Version" ist ein Indiz auf Letzteres). Die ersten Vorboten sind jedenfalls Next Level-Shit!