Degenhardt
und Kamikazes – eine Kollaboration, die Freunde sperrigen Untergrundraps in helle Freude versetzt. Ein zusätzlicher Lustmacher, dass die
Kamikazes das Soundbild komplett in Eigenregie komponiert haben und
keine Fremdbeats die düstere Klangwelt verwässern.
Nach dem ersten Hören wird bereits deutlich, dass die beiden Brüder sich beattechnisch nochmals gesteigert haben. Mit einer enormen Hitdichte war man ja bereits auf früheren Releases verwöhnt worden, der große Pluspunkt von Krahter gegenüber diesen ist jedoch seine Kongruenz. Hier greift ein Rad ins andere, die neun aus einem Guss stammenden Songs, in die sich auch ein funky Remix des bereits bekannten „Letzte Lover“ einreiht, unterwerfen sich dem packenden Spannungsbogen und verschmelzen zu einem großen Ganzen.
Nach dem ersten Hören wird bereits deutlich, dass die beiden Brüder sich beattechnisch nochmals gesteigert haben. Mit einer enormen Hitdichte war man ja bereits auf früheren Releases verwöhnt worden, der große Pluspunkt von Krahter gegenüber diesen ist jedoch seine Kongruenz. Hier greift ein Rad ins andere, die neun aus einem Guss stammenden Songs, in die sich auch ein funky Remix des bereits bekannten „Letzte Lover“ einreiht, unterwerfen sich dem packenden Spannungsbogen und verschmelzen zu einem großen Ganzen.
Die zwei
Instrumentals „Tag 0“ und "Tag X" bilden Anfang und Ende des Albums und
spiegeln die beiden Pole Geburt und Tod wider. Dazwischen passiert, was
in einem normalen Leben zwischen Uppern und Downern eben so passiert:
Identitätsfindung, Einsamkeit, Abgrenzung, Liebesdramen, Zweifel,
Euphorie, Resignation und co.
Wer jetzt die
Befürchtung hat, ein berechenbarer Thementrack würde auf den nächsten
folgen, der kann beruhigt werden. Wie man es von den Protagonisten
kennt, richten sowohl Degenhardt, als auch die beiden Brüder ihren Fokus
nicht darauf, die großen Erklärer zu spielen und dem Hörer klar
umrissene Geschichten aus der Erzählerperspektive in mundgerechten
Stücken aufzutischen. Der Fokus geht nach innen.
Klare
Gedanken, die über einige Zeilen hinweg konstruiert werden, rutschen
immer wieder ins Bodenlose ab, fallen in sich zusammen oder ufern in
abstrakte Assoziationsketten aus.
"Deine Sicht geht von gestochen scharf runter zu stumpf und besoffen"
Ein roter Faden bleibt stets erhalten, wenn auch meist verschwurbelt und verknotet.
Das
Attribut „verkopft“ wird dem Vortrag deshalb nicht gerecht. Vielmehr ist der Vibe der zentrale Leitfaden, der die Parts der drei Rapper
trotz ihrer mitunter doch recht verschiedenen Herangehensweisen
zusammenkittet.
Die beiden Brüder ergänzen sich in gewohnter
Manier. Während Antagonist unterkühlt und mit maximaler Lässigkeit die
Beats bearbeitet, erscheint Mythos' Flow nochmal stärker und
variantenreicher, als auf vorangegangenen Releases.
Degenhardt
hingegen trägt seine mitunter sehr abstrakten, Schlagwörter
aneinanderreihenden Bewusstseinsströme fast schon in Spoken Word-Form
vor und entfernt sich dabei merklich von der Vortragsweise eines
klassischen MCs, so dass seine Parts teilweise eher wie Bridges daherkommen.
Auf "Namen" bedeutet der erste Tag bereits "totale Degeneration" und das Platzen der ersten Seifenblasen.
"Oben
herab" ist eine Albtraumvariante von Brahms "Guten Morgen, gute Nacht"
und findet irgendwo zwischen dem nur noch unscharf konturiertem Diesseits
und dem alles lindernden Paradies statt.
Messages sucht der eifrige Hörer vergebens und offenbar ist eh keiner
der Interpreten "geeignet als dein geistiger Führer". Ein gut gemeinter
Rat: "Lass' das dritte Auge Säugling sein".
Die düster und atmosphärisch gehaltene Instrumentierung erzeugt eine eindrucksvolle Stimmung. Auf der einen Seite gerät diese äußerst bedrückend, wenn nicht sogar er-drückend. Auf der anderen Seite macht sich aber auch ein melancholisches Gefühl der Wärme breit, denn während die Produktionen von Kleiner Vogel an vielen Stellen eine fremde Sterilität verkörpern, ist Krahter dreckiger, man könnte sagen menschlicher, wenn auch um keinen Deut schlechter ausproduziert.
Subtile
Beatwechsel, aggressive Synthies, traumwandlerische
Melodien, schleppende Drums und drückende Basedrums legen den Grundstein
für die neun Brecher. Bedrohlich, dystopisch, aber stets funky und von großer Dynamik.
Degenhardt und Kamikazes - diese Konstellation passt einfach. Sie spielen sich zwar nicht unbedingt die Bälle zu, dafür bleibt Jeder seiner Linie treu und drückt dem Album seinen eigenen Stempel, seine eigene Version von Krahter auf. Der Vibe ist der gleiche, die Übersetzung eine andere.
Folglich mündet die gemeinsame Zusammenarbeit nicht in schwammigem Kompromissen, sondern viel mehr in einer charakterstarken EP mit den nötigen Ecken und Kanten, die große Kunst oft erst groß machen.
Auf Krahter manifestiert sich eine sinnvolle Weiterentwicklung des Kamikazes-Sounds. Der Klang ist mutiger und radikaler, mit weniger Loops und mehr Kompositionen.
Letzten Endes ist die EP aber weit mehr als ihre Einzelteile, sie ist eines dieser extrem
raren Werke, die es schaffen, den Hörer von den alltäglichen Banalitäten loszueisen
und in einen gänzlich anderen Kosmos zu versetzen. Was schmerzt, ist
das anschließende Runterkommen.
Wertung: 8,5/10
Tracklist:
- Tag 0
- Muttis Jesus
- Namen
- Oben herab
- Jabberwocky
- Unentschieden
- Letzte Lover (Remix)
- Berge
- Tag X
Veröffentlichung: 12.08.16 auf Bandcamp; Vinyl exklusiv bei Vinyl Digital